Montag, 24. Dezember 2018

Stille Nacht, Heilige Nacht

200 Jahre „Stille Nacht, Heilige Nacht“Ein Welthit – geboren im Hungerjahr 1816

Von Cornelia Rühle
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Blick auf die verschneite Stille-Nacht-Kapelle in Oberndorf in Österreich. In dieser Kapelle wurde 1818 zum ersten Male das Weihnachtslied "Stille Nacht, heilige Nacht" gesungen. (picture-alliance / dpa)
Oberndorf in Österreich: In dieser Kapelle wurde 1818 zum ersten Male das Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen (picture-alliance / dpa)
Kein christliches Weihnachtslied hat einen solchen Siegeszug angetreten wie „Stille Nacht, Heilige Nacht“. In einem kleinen Ort im Salzburger Land wurde das Lied vor 200 Jahren zum ersten Mal gesungen. Wie ein Lauffeuer verbreitet es sich – bis nach New York.
„Es war am 24. Dezember des Jahres 1818, als der damalige Hilfspriester Herr Joseph Mohr bei der neu errichteten Pfarre St. Nicola in Oberndorf dem Organistendienst vertretenden Franz Gruber ... ein Gedicht überreichte, mit dem Ansuchen, eine hierauf passende Melodie für zwei Solo-Stimmen sammt Chor und für eine Guitarre-Begleitung schreiben zu wollen.“
So wird sich der Komponist von „Stille Nacht, Heilige Nacht“ Franz Xaver Gruber viele Jahre später an die Geburtsstunde eines Liedes erinnern, das wie kein anderes um die Welt gehen sollte. An jenem Tag stapft Joseph Mohr durch das verschneite Salzburger Land, in der Tasche ein sechsstrophiges Gedicht, das er selbst verfasst hat. Sein Freund Gruber, Schullehrer und Organist, ist tief berührt von der Geschichte über Christi Geburt und übergibt noch am gleichen Abend dem musikkundigen Geistlichen seine „einfache Komposition“. Sie muss ihm gefallen haben, denn nach der Christmette tragen die beiden das Lied in der St. Nicola Kirche erstmals gemeinsam vor: Mohr singt Tenor und begleitet mit seiner Gitarre, Gruber übernimmt den Bass.

Mohrs Dichtung brachte Hoffnung und Zuversicht

Das Lied war – nach einer lateinisch gelesenen Messe – eine Friedensbotschaft, die die Menschen verstanden. Die napoleonischen Kriege hatten das Land in eine schwere Krise gestürzt. Nach der Säkularisierung verlor das ehemals geistliche Fürstentum Salzburg seine Selbständigkeit und wurde zum Spielball der Mächte, bis es nach dem Wiener Kongress endgültig an Österreich ging. Die Oberndorfer traf es besonders hart: Der Rupertiwinkel links der Salzach musste an Bayern abgetreten werden. Der Fluss – die Lebensader des Ortes – war Staatsgrenze geworden. Der Transport von Salz hatte den Schiffern und Schiffbauern Jahrhunderte lang ihre Lebensgrundlage gesichert, nun machten Armut und Resignation sich breit. Hochwasserkatastrophen und Missernten verschärften die Not. In diese Situation brachte Mohrs Dichtung Hoffnung und Zuversicht.
„Stille Nacht! Heilige Nacht!
Wo sich heut alle Macht
Väterlicher Liebe ergoß
Und als Bruder huldvoll umschloß
Jesus die Völker der Welt,
Jesus die Völker der Welt.“
Den Text hat Joseph Mohr schon zwei Jahre vor der Uraufführung verfasst. 24 ist er da, hat seine erste Stelle als Hilfspfarrer im Wallfahrtsort Mariapfarr im Südosten des Landes. Als uneheliches Kind einer Strickerin und eines desertierten Soldaten 1792 in Salzburg geboren, hat der begabte Junge durch die Hilfe eines Geistlichen studieren und das Priesterseminar besuchen können. Nun betreut er die größte Pfarre im Lungau, hat Seelsorge zu leisten in weit abgelegenen Dörfern und Gehöften. Ein schmächtiger Mann, der engen Kontakt zur Bevölkerung pflegt, sozial engagiert und lebensfroh. Sein späterer Pfarrherr in Oberndorf urteilt über ihn:
„Sein Wesen ist noch jugendlich unbesonnen, burschenmäßig geht er mit der langen Tabakspfeife und dem Beutel an der Seite über die Gasse, er spielt und trinkt und singt oft nicht erbauliche Lieder.“

Durch einen Zufall zum Volkslied

Das Jahr 1816 ist ein schlimmes Hungerjahr, der Winter schneereich und bitterkalt. Joseph Mohr wohnt im Pfarrhof, direkt neben der Wallfahrtskirche mit ihren prächtigen romanischen und gotischen Fresken – und einem Altarbild mit einem auffällig blond gelockten Jesuskind. Das Kirchenlied, das er hier um die Weihnachtszeit niederschreibt, wird sich bald auch in protestantischen Gebieten wie ein Lauffeuer verbreiten. Dabei ist es letztendlich einem Zufall zu verdanken, dass es – mittlerweile in über 300 Sprachen übersetzt – als Volkslied seinen Siegeszug antreten konnte, erklärt Renate Schaffenberger von der Stille Nacht Gesellschaft in Oberndorf:
„Es hat sechs Jahre, nachdem es das erste Mal gesungen wurde, ein Orgelbauer hier in Oberndorf eine neue Orgel gebaut und installiert, und dieser Karl Mauracher aus dem Zillertal in Tirol hat die Notenblätter zufällig unter anderen Notenblättern entdeckt, hat sie mitgenommen in sein Heimatland. Von dort war es eigentlich üblich, dass Sängerfamilien alljährlich auf Jahrmärkte gefahren sind, im Land und auch ins Ausland, und dort ihre Waren angeboten haben und auch gesungen, gespielt, getanzt haben. Da wurde das Lied dann immer weiter verbreitet. Überliefert wurde es 1832 das erste Mal in Leipzig gesungen und 1839 bereits in New York.“

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